Categories: Grundlagen

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Historie

An dieser Stelle soll auf die Eingrenzung des Feldes und die übergeordnete Bezeichnung eingegangen werden. Aktuell wird im internationalen und insbesondere englischen Sprachgebrauch der Begriff Psychedelika als übergeordnete Benennung am häufigsten für die Substanzen verwendet, welche aufgrund ihrer Wirkung mit qualitativen Bewusstseinsänderungen für die Unterstützung psychotherapeutischer Prozesse bei psychischen Erkrankungen eingesetzt werden. Der entsprechende klinische Einsatz wird damit als psychedelische Therapie bezeichnet. Die Entwicklung der Begrifflichkeit hat jedoch mehrere Stränge, welche zum besseren Verständnis einer Einordnung bedürfen.

Die erste deutschsprachige Bezeichnung der Substanzen Meskalin und auch LSD wurde von Lewin geprägt. Er nannte sie „Phantastica“, ein Begriff, welcher auch von Stoll in seinen ersten Untersuchungen verwendet wurde. Dieser Begriff setzte sich aber nicht durch und verlor sich ab den 1950er Jahren. Der englische Psychiater Humphrey Osmond prägte die Begrifflichkeit Psychedelika 1956 in einem Briefwechsel mit Aldous Huxley. Die Wortschöpfung setzt sich aus dem Griechischen für Seele, also Psyche, und Delos, wie öffnen bzw. offenkundig oder offenbaren, zusammen und sollte in etwa zum Ausdruck bringen, dass die Psychedelika-Erfahrung mit vertieften Einblicken in das eigene Seelenleben oder dem Erleben einer Selbsterkenntnis einhergehen kann.

Psychedelika neuronales Netz

Von Halluzinogenen zu Psychedelika

In der Folge wurde eine psychedelische von einer psycholytischen Therapie unterschieden. Die psychedelische Therapie war bezogen auf wenige höher dosierte Gaben im Rahmen einer Psychotherapie, die psycholytische Therapie auf viele niedriger dosierte Gaben im Rahmen z.B. einer Psychoanalyse. Da die verwendeten Substanzen aber dieselben waren, LSD und Psilocybin, macht letztlich ein einheitlicher Oberbegriff Sinn, wofür sich heute Psychedelika bzw. psychedelische Therapie durchgesetzt hat.

Im deutschsprachigen Raum war teils der Begriff „Halluzinogene“ für insb. LSD und Psilocybin verbreitet, insbesondere geprägt durch Hanscarl Leuner durch sein gleichnamiges Buch aus dem Jahr 1981. Psychopathologisch gesehen war die Bezeichnung allerdings unscharf, denn im engeren psychopathologischen Sinne treten keine Halluzinationen unter der Wirkung der Substanzen auf, allenfalls Illusionen, eidetische Phänomene oder Pseudohalluzinationen, wobei sich die Personen eben über den artifiziellen Charakter der Wahrnehmungsveränderungen praktisch durchgängig bewusst sind. Die Begrifflichkeit wurde dann im deutschsprachigen Raum auch im Zusammenhang mit therapeutischen Anwendungen nicht mehr breiter verwendet. Zwar hat sie sich in den Diagnose- und Klassifikationssystemen erhalten, fokussiert darin jedoch auf LSD, Psilocybin und analoge Stoffe und umfasst damit nicht das hier bezeichnete Spektrum.

Substanzen

Eine weitere Diskussion besteht entsprechend darin, welche Substanzen zu dieser Gruppe hinzugezählt werden. Bei LSD und Psilocybin, wie auch Meskalin und Ayahuasca kann dies von der Wirkung her recht gut umrissen werden. Wenn das allgemeinere Kriterium der Erzeugung qualitativ veränderter Wachbewusstseinszustände herangezogen wird, kann dies auch für MDMA oder verwandte Substanzen wie MDE zählen, wenn die Erfahrung als solche auch anders geartet ist. Für MDMA wurde die Bezeichnung Entaktogen 1986 von David Nichols eingeführt, also eine Substanz, mit welcher die einnehmende Person mit seinem eigenen Inneren in Berührung kommt kann. Auch Empathogen wurde geprägt, da unter MDMA ein gesteigertes Einfühlungsvermögen in Andere empfunden werden kann. Grundsätzlich aber macht es Sinn, auch diese Substanzklasse unter den Oberbegriff Psychedelika aufzunehmen, was durchaus semantisch dem Wortstamm entspricht.

Eine weitere Substanz, welche aufgrund ihrer Psychophänomenologie in die Gruppe aufgenommen werden kann, ist Ketamin. Es wurde auch als Dissoziativum bezeichnet und eigentlich zunächst rein pharmakologisch bei Depressionen eingesetzt. Aber mittlerweile gibt es auch Ansätze, die Erfahrung unter dem Substanzeinfluss psychotherapeutisch zu nutzen.

Wir schlagen deshalb vor, für die genannten und aktuell wissenschaftlich auf ihre mögliche klinische Verwendung hin untersuchten Substanzen – Psilocybin, LSD, Ayahuasca (bzw. DMT/Harmin), MDMA, Ketamin – und ihre Analoga, wie auch für die Anwendung in der Absicht einer Unterstützung von psychotherapeutischen Prozessen die Oberbegriffe „Psychedelika“ und „psychedelische Therapie“ zu verwenden, wobei der Raum für Differenzierungen unbenommen ist.

Autor: Uwe Herwig