Categories: Grundlagen
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Das individuelle Erleben der Psychedelika-Wirkung ist außerordentlich komplex und subjektiv beeindruckend. Die Diversität psychedelischer Erfahrung wird unter anderem in den Dimensionen der „altered states of consciousness“ abgebildet [25, 26, 27]). Die klassischen Psychedelika, wie Psilocybin, LSD und Meskalin, aber auch Ayahuasca, gehen mit einer umfassenden Modifikation der Wahrnehmung in verschiedenen Sinnesmodalitäten, des emotionalen und Bedeutungserlebens, in psychodynamischen und auch in spirituellen Dimensionen sowie mit Änderungen des Zeit- und des Selbsterlebens einher. LSD kann sensorische Wahrnehmungen intensivieren und modifizieren bis hin zu Illusionen, Synästhesien und komplexem bildhaften Erleben bei geschlossenen Augen [28]. Die Wirkdauer geht über 8-12 Stunden. Es kann Denkprozesse beschleunigen und zu neuen Assoziationen führen, bis hin zu erkenntnishaftem Erleben bezüglich emotionaler, interpersoneller, sozialer und biografischer Zusammenhänge. Weiterhin kann es zu Phänomenen wie der sogenannten „ozeanischen Selbstentgrenzung“, aber auch zu einem Erleben der „angstbesetzen Ichauflösung“, wie auch zu mystischen und spirituellen Erfahrungen und zu einem massiv gedehnten Zeiterleben kommen. Die Phänomenologie des Psilocybin ist qualitativ vergleichbar und dauert ca. 4-6 Stunden [29]. Auch Ayahusaca geht mit einem breiten Spektrum an profunden sensorischen inklusive introspektiver Erfahrungen einher, wie auch mit ausgeprägtem emotionalen Erleben in verschiedenen Domänen sowie mit mystischen und spirituellen Erfahrungen noch eigener Qualität [30].
MDMA wiederum führt unter anderem zu einer Vertiefung und Bewusstwerdung emotionalen Erlebens in Hinblick auf Beziehungen zu anderen, aber auch sich selbst. Es führt zu gesteigertem Wohlbefinden, erhöhter Introspektion wie auch Extraversion und Offenheit, einem Authentizitätserleben, zu Einfühlung und Empathie für andere Personen inklusive einem gesteigerten Mitgefühl und intensivierten Sozialbezügen. Hierzu gibt es vielfältige wissenschaftliche Untersuchungen und Beschreibungen (s. Reiff et al. 2020 [24] für eine Übersicht) wie auch Erlebnisschilderungen.
Ketamin als atypisches Psychedelikum wird bereits seit Jahrzehnten in der Anästhesie verwendet und mittlerweile auch als antidepressive Substanz eingesetzt [21]. Es weist ebenfalls qualitativ bewusstseinsmodulierende Eigenschaften auf und kann zu dissoziativen aber auch komplexen sensorischen Phänomenen sowie dem möglichen Erleben von Ego-Desintegration und ozeanischer Entgrenzung [16]. Der Ketamin-Einfluss kann auch mit emotionalen Alterationen mit psychodynamischen Prozessen einhergehen, die als nutzbar für psychotherapeutische Prozesse postuliert werden [22]. Für das bei bestimmten Indikationen im Rahmen der Depressionsbehandlung in Deutschland zugelassen Enantiomer Esketamin in nasaler Applikation muss jedoch klar abgegrenzt werden, dass die Anwendung des Esketamin auf Basis einer rein pharmakologisch-biochemischen Ebene begründet ist. Eine eventuelle psychedelische Wirkung spielt in dieser Anwendungsrationale keine Rolle. Der Stellenwert des Esketamin liegt hier in einer Erweiterung des psychopharmakologischen Spektrums der Depressionsbehandlung.
Wichtig zu betonen ist, dass die Psychedelika-Wirkungen keinesfalls nur angenehm und interessant sind. Vielmehr kommt es im therapeutischen Kontext auch zu unangenehmem emotionalem Erleben wie Ängsten, Trauer und Wut, gelegentlich auch kathartischen Phänomenen. Diese, wie dazu gehörige Erinnerungen, auch traumatischer Art, sind allerdings in der Therapie nicht als unerwünschte Wirkung zu verstehen, sondern dienen als wichtige Elemente für die therapeutischen Ansätze und Prozesse.
Wichtige beeinflussende Faktoren für das Erleben sind Sense, Set, Setting, Sitter und Substanz bzw. Dosis. Sense bezieht sich auf die Indikation (die Sinnhaftigkeit). Unter Set wird die persönliche Voreinstellung und ggf. auch individuelle psychotherapeutische Vorbereitung verstanden. Setting ist das Umfeld während der Substanzwirkung, welches möglichst angenehm gestaltet sein sowie mindestens eine/n vertrauenswürdige/n begleitende/n Therapeut/in Betreuungsperson, „Sitter“, umfassen sollte. Schließlich haben die verschiedenen Substanzen dosisabhängig unterschiedliche Wirkungen (u.v.a. [24]).

 

Angelehnt an Herwig et al., Fortschritte Neurologie Psychiatrie 2023, dort auch Literatur in [x]